Rolf Müller
Die Länge der Predigt sollte sich an der Aufmerksamkeit der Zuhörer orientieren. Die meisten Leute können nicht länger als 20 Minuten aufmerksam sein. Nicht die Länge oder Kürze einer Predigt ist entscheidend, sondern was ich zu sagen habe. Eine Predigt, die länger als 30 Minuten dauert, muss nicht schlecht sein. Eine Predigt von 5 Minuten kann todlangweilig sein. Es kommt auf eine gute Vorbereitung der Predigt an. Kann ich das Interesse der Leute wecken?
Manche treten ans Pult und sprechen plötzlich eine ganz andere Sprache als vorher. Auch der Wortschatz verändert sich, es werden völlig andere Vokabeln verwandt als im Alltag. Wenn ich viele Fremdwörter und komplizierte Formulierungen gebrauche, stelle ich die Aufmerksamkeit der Zuhörer auf eine harte Probe. Es kann sein, dass meinen Intellekt und meine Englisch-Kenntnisse bewundern, aber dass sie gar nicht verstehen, was ich sagen will.
Der alte Mann hat Predigten gehört, in denen die Wörter „eigentlich“ und „einfach“ so oft vorkamen, dass man vom Inhalt der Predigt abgelenkt wurde und unwillkürlich zu zählen anfing. Dabei hätte man diese Wörter ohne Sinnverlust „eigentlich einfach“ weglassen können.
In unserer Jugend hörten wir einen Prediger, der sehr oft das Wort „drastisch“ gebrauchte. Das brachte ihm damals bei uns jungen Leuten den Beinamen „Drastisch-Hugo“ ein. Es ist natürlich schade, wenn durch solche Kleinigkeiten die Aufmerksamkeit vom Inhalt der Predigt weggeführt wird.
Ein anderer Bruder beginnt seine Predigt immer mit dem Wort „Ja!“. Er tritt ans Pult, sagt „Ja!“ und fängt dann an, zu reden. Dann kommen die Wörter „Ja“ und „Genau!“ so häufig vor, dass man sie gar nicht mehr hören mag und sich regelrecht nach einem „Nein!“ sehnt.
Manchmal sind es wirklich nur Kleinigkeiten und Äußerlichkeiten, die vom Evangelium ablenken und den Segen rauben. Es beginnt beim Gang des Predigers zum Pult. Bei manchen hat man den Eindruck, sie gehen zur Schlachtbank oder zu ihrer eigenen Hinrichtung. Das ist ein falsches Signal.
Der Prediger sollte seine Stimme so in der Lautstärke einstellen, als ob er sich mit einer Person in der hinteren Reihe unterhalten will. Das ist aber insofern problematisch, weil in vielen Gemeinden die Schwerhörigen nicht in der ersten Reihe sitzen, sondern ganz hinten Platz nehmen.
Während der Verkündigung sollte der Prediger nicht stocksteif und bewegungslos dastehen. Er sollte aber auch nicht mit seinen Armen windmühlenartige Bewegungen machen und den Eindruck erwecken, als wolle er einen Schwarm Mücken vor sich hertreiben. Beides lenkt die Aufmerksamkeit von der Predigt ab.
Es können auch Nachlässigkeiten in der Kleidung oder eine Nudel im Mundwinkel sein, die die Aufmerksamkeit beeinträchtigen.
Wenn ein Prediger erkältet ist, empfiehlt es sich, den Naseninhalt nicht hochzuschniefen, sondern ein Taschentuch zu benutzen.
Wenn uns etwas Derartiges auffällt, gehört es zur brüderlichen Liebe, dass man den Bruder in Liebe und diskret darauf hinweist. Er wird das im Normalfall zu schätzen wissen und dankbar sein.
Es ist wichtig, wenn wir Gott um den rechten Segen für sein Wort und für den Verkündiger beten, damit Glauben gewirkt und Glauben gestärkt werden kann.
Nicht ein Versprecher des Predigers oder ein falsch geknöpftes Jackett des Verkündigers soll in Erinnerung bleiben. Es war eine gesegnete Stunde, wenn die Besucher sich auf dem Heimweg über das gehörte Schriftwort unterhalten und es im Herzen bewegen.
Mit freundlicher Genehmigung
Autor: Rolf Müller