Rolf Müller
Er wollte gerade ein Foto von einer wunderschönen Landschaft machen. Als er auf den Auslöser seiner Kamera drücken wollte, riss ihn seine Frau aus allen Träumen. Zeit zum Aufstehen! Er versuchte, sich in der Wirklichkeit zurechtzufinden und grübelte darüber nach, ob er den Traum in Farbe oder in Schwarz-Weiß geträumt hatte. Dann humpelte ins Bad. Der Verschluss der Zahnpasta -Tube fiel zu Boden und rollte in eine entlegene Ecke. Er blickte dem Verschluss missmutig nach. Wenn es dir da unten besser gefällt, mir ist es egal.
Kaffeeduft drang aus der Küche. Der Frühstückstisch war gedeckt. Alles wie sonst? Nein, heute nicht. Seine Frau hatte eine Kaffeetasse hingestellt mit dem Henkel an der linken Seite, obwohl sie genau wusste, dass er den Henkel auf der rechten Seite haben wollte. Der Kaffee war zu heiß, die Butter war zu weich, das Salz war zu scharf und die Orangenmarmelade zu süß. Die Füße schmerzten, der Rücken tat weh, das Wetter war trüb, aber der lang erwartete Regen kam nicht. Nichts war in Ordnung an diesem Donnerstag.
Das Telefon schellte. Die Nachbarin. Es klingelte an der Haustür. Die Post brachte zwei Pakete für die Hausbewohner, die auf Arbeit waren. Der Kaffee wurde kalt. Der Appetit verging und mit ihm der Rest der guten Laune, die an diesem Tag sowieso nicht bestens war.
War das die Frucht des Geistes, von der in der Bibellese die Rede war? In welchem Dornengestrüpp sind Friede, Freude, Liebe, Geduld, Freundlichkeit und Sanftmut hängen geblieben?
Warum kriegt er gleich die Krise, wenn im Tageslauf etwas anders ist als gewünscht? Lässt ihn sein Glaube in solchen Situationen im Stich? Hatte das Leben auf einmal keinen Sinn mehr, verliert die Sonne ihren Schein? Ist die Freude im Herrn der Schwachheit gewichen und hat er deshalb keine Stärke mehr? Soll er jetzt jammern und im Meer der Unzufriedenheit ersaufen? Will er das wirklich und ist er dann glücklich? Er fühlte sich wie Jona, nachdem der schattenspendende Rizinusstrauch verdorrt war. Aber da kam ihm rechtzeitig ein Lied in den Sinn.
Die Sonne, die mir lachet ist mein Herr Jesus Christ, das, was mich singen machet ist, was im Himmel ist! (Paul Gerhardt).
Dadurch wurden seine Gedanken wieder zurechtgerückt. Er lässt sich durch die Widrigkeiten des Alltags die Freude im Herrn nicht rauben. Weder kalter Kaffee noch weiche Butter können ihn aus der Bahn werfen. Hat er doch Christus noch. Wer kann ihm den nehmen?
Das Salz mag mehr oder weniger scharf sein, die Marmelade mehr oder weniger süß, das Frühstücksei zu hart oder zu weich gekocht sein; der gläubige Christ trägt es mit Fassung. Das alles erschüttert seinen Glauben nicht. Der Herr ist sein Hirte, deshalb wird ihm nichts mangeln. Der Herr führt ihn durchs dunkle Tal, deshalb fürchtet er sich nicht. Der Herr schenkt Freude die Fülle. Der Herr bringt auf rechter Straße ans Ziel.
Draußen hat der Regen eingesetzt. Die Schöpfung atmet auf. Der Morgenmuffel schämt sich seiner Verdrießlichkeit. Er lächelt. Die Welt ist in seinen Augen in Ordnung an diesem Donnerstag. Die Freude am Herrn ist seine Stärke.
Mit freundlicher Genehmigung
Autor: Rolf Müller