Der alte Mann und der Protestantismus

Rolf Müller

Die Bibel ist kein „normales Buch“, sondern ein Wunder. Sie kann Menschen verwandeln. Die Bibel ist wahr. Sie ist ein Quell des Segens. Das wird im heutigen Protestantismus nicht mehr so gesehen. Der alte Mann hört oft die Redewendung: „Manche mögen es so sehen.“ Mit einer solchen Haltung kann man sich den Weg zur Wahrheit verstellen. Die Bibel wird relativiert. Es werden unbestreitbare Fakten angezweifelt. „Manche mögen es so sehen.“

Der alte Mann befürchtet, dass Gott im Begriff ist, umzuziehen. Er sucht sich eine andere Wohnung. Die Möbel sind schon weg. Viele Gemeinden sind geistlich leere Orte geworden. Gott ist dort, wo Menschen wirklich nach ihm fragen.

Dem alten Mann wird entgegen gehalten: „So wörtlich darf man die Bibel nicht nehmen! Du siehst das zu eng! Du willst doch nicht etwa fanatisch werden, das kann doch nicht Gottes Wille sein! Sollte Gott wirklich das Blut Jesu zu unserer Versöhnung brauchen? Ist das Kreuz nicht nur ein Zeichen von Gottes Solidarität mit der leidenden Menschheit? Hat der Mensch nicht einen Anspruch auf Gottes Liebe? Man muss sich doch bei allen Katastrophen, die geschehen, fragen: Das soll ein Gott der Liebe sein?“

Der alte Mann weiß, dass das die falschen Schlüsse sind, die gezogen werden. Gott hat uns nicht vergessen, wir haben ihn vergessen! Unsere Gottvergessenheit ist die Ursache unseres Verderbens. Wer Gott verlässt, ist verlassen. Es sollte uns nachdenklich machen, dass uns das Wort vom Kreuz heute zunehmend unerträglich geworden ist. „Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren sind.“ Heute will man Ostern ohne Karfreitag feiern. Das hat die historisch-kritische Methode der Theologie bewirkt. Von dieser Theologie wird heute keiner mehr satt. Die Kirche hat ihr Fundament verlassen. Sie vertritt stattdessen Gender-Ideologie, Ehe für alle, sie akzeptiert Abtreibungen und Sterbehilfe, sie fördert den Islam und deutet biblische Wahrheiten um. Sie ist keine Kirche Jesu Christi mehr. Viele bekennende Christen verlassen die Kirche ihrer Vorfahren. Das hat nichts mit der Kirchensteuer zu tun. Die zeitgeistliche Volkskirche verlässt ihr der Bibel glaubendes Volk. Sie geht ihren eingeschlagenen Weg mit allen Fehlentwicklungen unbeirrt weiter.

Mit dem alten Mann fragen viele, wohin sie gehen sollen. Wer hat noch „Worte ewigen Lebens“? Wo wird der Herr Jesus Christus als einziger Weg zum Vater verkündigt? Darf man das noch fragen, oder ist es schon ungerechtfertigte Kritik? Soll man besser schweigen? Darf man sich noch auf die Bibel berufen? Oder gelten für Christen heute andere Richtlinien? Gibt es noch eine gültige Wahrheit? Wem kann der alte Mann sich getrost anvertrauen? Was ist wahr und was ist Lüge? An wen soll man glauben? An Buddha, Mohammed oder Christus? Wer kann von Sünde erlösen?

Der alte Mann stellt fest, dass die Kirche kaum noch von Sünde spricht. Es gibt keine Sünder mehr. Damit steht die Kirche vor einer unlösbaren Aufgabe: Sie muss Gerechte zur Buße rufen.

Es sind nur noch wenige Bibelworte, die für die heutige Kirche von Bedeutung sind. Die liberale Theologie unterscheidet sich grundsätzlich vom Christentum. Das Christentum gründet sich auf die Bibel. Das ist bei der liberalen Theologie nicht der Fall. Weil das Wort der Bibel nicht mehr gilt, braucht man tausend andere Worte dafür. Bei den heutigen Protestanten ist das Anliegen der Reformation völlig in Vergessenheit geraten.

Die Reformatoren stellten das Wort der Schrift wieder auf den Leuchter. Der Protest richtete sich gegen die Irrlehren der katholischen Kirche. Der aktuelle Protest richtet sich gegen die Trennung der Konfessionen, gegen die Entmündigung der Frauen und gegen niedrige Löhne. Eine Kirche, die sich überwiegend mit solchen Themen beschäftigt und das entscheidende Thema der Bibel vernachlässigt, ist keine christliche Kirche. Nur dort, wo heute das Evangelium von Jesus Christus verkündigt wird, wird morgen noch eine Gemeinde sein.

Dem alten Mann fällt auf, dass viele Christen kein biblisches Unterscheidungsvermögen besitzen. Biblisches Unterscheidungsvermögen hängt nicht vom Besuch einer theologischen Hochschule ab. Man muss nicht unbedingt Griechisch oder Hebräisch verstehen. Es ist schlicht eine Sache der Disziplin. Ein Christ, der jeden Tag Gottes Wort liest und bereit ist, was er liest, auf sein Leben zu beziehen, bekommt Unterscheidungsver-mögen.

Es gibt für die Menschen keine unterschiedlichen Heilswege. Es gibt nur das eine Heil, das Jesus Christus durch sein Opfer am Kreuz vollbracht hat. Es gibt nur einen Weg zum Heil: durch Buße und Glauben an Gott.

Von klarer Scheidung merkt der alte Mann bei den heutigen Evangelikalen nicht mehr viel. Dem Schwarmgeist wird nichts entgegengesetzt, ihm wird Tür und Tor geöffnet. Der Blick der verantwortlichen Leiter ist vernebelt. Von klaren Fronten kann keine Rede sein. Niemand wagt es, sich festzulegen. Der alte Mann fragt sich: Wer hält sich denn heute noch an Gottes Wort? Wer nimmt die ganze Bibel von 1. Mose bis zur Offenbarung als Wort Gottes ernst? Wer fürchtet den Herrn? Wer zittert noch vor seinem Wort? Gottes Wort ist die ewige Wahrheit. Es ist hoch erhaben über alle Meinungen der Menschen.

Der alte Mann weiß: Der Glaube an Christus und der Glaube an das Wort gehören untrennbar zusammen. Wir haben Christus nicht ohne das Wort. Die Bibel trägt das Siegel der Wahrheit. Sie ist in allen Aussagen verbindlich. Die Erfüllung des prophetischen Wortes stärkt den Glauben. Sie ist der Garant, dass Gottes Wort absolut wahr ist. Was Gott sagt, trifft ein.

Der alte Mann weiß, dass es wichtig ist, für den Herrn zu leben. Noch wichtiger ist, dass wir mit ihm leben und in enger Gemeinschaft verbunden sind. Die Verwurzelung in Christus ist untrennbar mit der Verwurzelung in seinem Wort verbunden. Alle Methoden und Konzepte einer Gemeinde müssen vom Wort Gottes her abgeleitet und begründet werden. Das Wort Gottes ist der Maßstab, um gesund und krank, echt und falsch unterscheiden zu können.

Dem alten Mann kommt es vor, als ob man richtig evangelisch erst ist, wenn niemand etwas davon merkt. Der Protestantismus gleicht einer Offenbarungsreligion ohne Offenbarung. Man predigt einen Glauben ohne Gewissheit, eine Zukunft ohne Ewigkeit. Man ist mehr auf das Wohl als auf das Heil der Menschen bedacht. Anstatt das Evangelium von Jesus Christus zu verkündigen, werden kunstvolle Reden gehalten, die niemand helfen und die niemand versteht. Wenn Bäcker ihre Ware so miserabel anbieten würden wie manche Theologen ihren Glauben, würde niemand mehr Brötchen kaufen. Wenn hinter den Worten keine Heilstatsachen stehen, werden sich die Menschen wohl nicht dafür interessieren. Sie werden nicht zu Jesus kommen und nicht bei Jesus bleiben. Ein Verkündiger ohne Glauben ist wie ein Strand ohne Meer. Die Leute tummeln sich, aber das Eigentliche, das Meer, lernen sie nicht kennen.

Woran erkennt man den heutigen Protestantismus? Welche Ziele verfolgt er? Der alte Mann nimmt vor allem folgende Inhalte wahr: Klimawandel, Toleranz, Umweltschutz, eine Welt, Solidarität, Einheit der Religionen, Regenbogengesellschaft, Genderismus.

Der alte Mann wird mit den Auswirkungen des Zeitgeistes konfrontiert. Millionen ungeborener Kinder werden getötet. Die Redefreiheit wird eingeschränkt, vor allem, wenn es um christliche Belange geht. Sexuelle Perversionen werden öffentlich gefördert. Ehe, Kindererziehung und Familienleben werden von vielen Seiten angegriffen. Und die Kirchen gehen voran. Die Protestanten protestieren nicht mehr. Sie überlassen dem Zeitgeist kampflos das Feld. Statt sich auf die Bibel zu berufen, passen sie sich an. Sie kennen die Wahrheit, aber wenden sich von ihr ab. Der Protestantismus zerstört sich selbst.

Dem alten Mann ist bewusst, dass es bei diesem Thema nicht um freundliche Diskussionen gehen kann. Es sind geistliche Mächte der Bosheit am Werk. Es ist ein Kampf auf Leben und Tod. Es geht gegen Gott selbst.

Der alte Mann weiß, dass viele das nicht so sehen. Weil sie die Bibel als Maßstab verloren haben, halten sie die Situation für normal. Wenn es um aktuelle Fragen der Zeit geht, sagen Kirchenleitungen oft nichts. Oder, und das ist noch schlimmer, sie sagen, was die Welt auch sagt, statt treu zu dem lebendigen Christus zu stehen. Das ist krank, und diese Krankheit kann nur durch die biblische Wahrheit und durch Jesus Christus geheilt werden.

 

Unglaub und Torheit brüsten sich frecher jetzt als je;
darum musst du uns rüsten mit Waffen aus der Höh.
Du musst uns Kraft verleihen, Geduld und Glaubenstreu
und musst uns ganz befreien von aller Menschenscheu.

(Philipp Spitta).

 

Mit freundlicher Genehmigung
Autor: Rolf Müller