Rolf Müller
Philippus richtet eine Bitte an den Herrn: „Herr, zeige uns den Vater, so genügt es uns.“ Das war der Wunsch vieler Gottesmänner schon im alten Bund. Mose bat: „Herr, lass mich deine Herrlichkeit sehen!“ David hat den Wunsch geäußert: „Wann werde ich dahin kommen, dass ich Gottes Angesicht schaue?“ Der Herr hatte den Jüngern gesagt: „Ihr habt ihn gesehen.“ Philippus verstand das nicht. Er wollte den Vater gezeigt bekommen. Er wollte ihn sinnlich wahrnehmen.
Da öffnete ihm der Herr die Augen. „So lange bin ich bei euch, und du hast mich noch nicht erkannt, Philippus? Wer mich gesehen hat, der hat den Vater gesehen. Wie kannst du da sagen, zeige uns den Vater? Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin und der Vater in mir ist?“
Philippus suchte den Vater außerhalb von Christus. Er begriff noch nicht, dass Jesus und der Vater eins sind. Er hat im Herrn noch nicht den Vater erkannt, obwohl er von Anfang an zu den Jüngern Jesu gehörte. Trotzdem ist der Herr ihm fremd geblieben. Er erkannte noch nicht: „Wer mich sieht, der sieht den Vater.“
Der alte Mann weiß, dass sich der Vater in Jesus offenbart. Jesus ist das sichtbare Ebenbild des Vaters. Er ist eine Einheit mit dem Vater. Das ist kein Nebeneinander und auch kein bloßes Miteinander. Das ist ein völliges Ineinander. Die Worte, die Jesus redet, redet er nicht von sich selbst. Der Vater, der in Jesus wohnt, tut die Werke. Beide sind der Beweis, dass der Vater im Sohn und der Sohn im Vater sind.
Der alte Mann liest dann, wie der Herr Jesus die große Verheißung anschließt: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue und wird größere als diese tun, weil ich zu meinem Vater gehe.“
Was sind das für Werke? Gibt es größere Werke als die, die Jesus getan hat? Können sie noch übertroffen werden? Der Herr meint hier Werke höherer Art. Er meint die Ausbreitung des Christentums. Er meint die Predigt vom Gekreuzigten und Auferstandenen. Er meint die Tatsache, dass sich unter dem Wort Ungläubige bekehren und Buße tun. Das geschieht, weil Jesus zum Vater geht und den Heiligen Geist sendet. Die Pfingstpredigt des Petrus ging dreitausend Menschen durchs Herz. Paulus verkündigte das Evangelium in zwei Erdteilen. Das alles hat der Hingang Jesu zum Vater ermöglicht.
Der alte Mann staunt über die nächste Verheißung. „Und was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun, damit der Vater verherrlicht wird in dem Sohn. Wenn ihr etwas bitten werdet in meinem Namen, so werde ich es tun.“
Ist das eine Zauberformel, mit der man sich jeden Wunsch erfüllen kann? Wohl kaum. Wenn der Sohn erfüllt, worum der Vater gebeten wird, zeigt das die Einheit von Vater und Sohn. Das Gebet im Namen Jesu findet das Herz des Vaters. Der Heilige Geist kommt dann unserem Unvermögen zu Hilfe. Er hilft unserer Schwachheit auf. Der Zweck solcher Gebete ist, dass der Vater verherrlicht und geehrt wird im Sohn. Die Vollmacht der Jünger besteht darin, dass der Name Jesus den Zugang zum Vater garantiert. Man kann im Namen Jesu nichts Übles erbitten. Es geht um die Erhörung Gott wohlgefälliger Gebete.
Der du, o Gott, im Himmel bist,
o guter lieber Vater!
Bei dir allein die Hilfe ist,
du Tröster und Berater.
Dich flehen wir jetzt herzlich an,
dich, dessen Allmacht alles kann,
du wirst uns gerne hören.
Wir haben diese Freundlichkeit
durch deinen Sohn empfangen.
Durch Christus ist uns Heil bereit,
dass wir die Hilf erlangen.
Um diese Hilfe flehen wir,
lass wohlgefallen, Höchster,
dir jetzt unsre sieben Bitten:
Dein Name stets geheiligt werd,
dein Reich lass uns erfreuen,
dein Will gescheh auch hier auf Erd.
Gib Frieden, Brot, Gedeihen;
all unsre Sünden uns verzeih,
steh uns in der Versuchung bei,
erlös uns von dem Bösen.
Dies alles, Vater, werde wahr.
Du wollest es erfüllen.
Erhör und hilf uns immerdar
um Jesu Christi Willen;
denn dein, o Herr, ist allezeit,
von Ewigkeit zu Ewigkeit
das Reich, die Macht und Ehre.
(Philipp Jakob Spener).
Mit freundlicher Genehmigung
Autor: Rolf Müller