Der alte Mann und der Antisemitismus

Rolf Müller

Als Kind bekam der alte Mann ein Bilderbuch geschenkt. An eine Geschichte erinnert er sich heute noch. Kinder suchten im Wald nach Beeren. Plötzlich wurde eines der Kinder von einer Kreuzotter gebissen. Das Kind wurde gerettet, weil jemand das Gift aus der Wunde gesaugt und ausgespuckt hatte. Anschließend an jede Geschichte folgte eine Erklärung, die Moral von der Geschichte. Die Kreuzotter ist der Jude. Er vergiftet den deutschen Volkskörper. Hütet euch vor den Juden! Der alte Mann erinnert sich daran, dass an manchen Geschäften stand: „Für Juden und Hunde verboten!“ Man verglich die Juden mit einem Krebsgeschwür, das vernichtet werden muss.

Der alte Mann stellt fest, dass auch heute teils versteckt, teils offen ein erschreckender Antisemitismus vorhanden ist. Das ist in vielen Ländern bis hin zur UNO der Fall. Fast alle Medien, ja selbst die Kirchen bis hin zum Weltkirchenrat bilden da keine Ausnahme.

Antisemitismus hat die Auslöschung des jüdischen Volkes zum Ziel. Der alte Mann fragt sich, woher dieser Hass kommt. Er kommt zu dem Schluss, dass er meist in der Ablehnung des Wirkens Gottes in dieser Welt wurzelt. Antisemitis-mus ist seinem Wesen nach antigöttlich. Es gibt ihn, seitdem es das jüdische Volk selbst gibt.

Der alte Mann staunt, dass alle Pläne, Israel auszurotten, in der Geschichte bis heute gescheitert sind. Er kennt den Grund: Israel ist Gottes erwähltes Volk und steht unter seinem persönlichen Schutz. Die Welt sieht, dass Israel gesegnet ist. Aber sie weigert sich, darin eine Erfüllung von Gottes Verheißungen zu sehen. Sie vermutet eine jüdische Verschwörung. Man ist sich einig: Israel muss niedergehalten werden.

Man gibt Israel die Schuld an allen Problemen der Welt. Die biblische Prophetie, dass Jerusalem zu einem „Taumelkelch“ und zu einem „Laststein“ für alle Völker werden wird, wirft ihre Schatten voraus.

Nach Israels jahrhundertelanger Zerstreuung in alle Welt ist die Staatsgründung Israels im Jahr 1948 ein Wunder, das der alte Mann miterlebt hat. Dieser Staat war von Anfang an dem Hass der Nachbarstaaten ausgesetzt.

Man wollte mit den Juden nicht verhandeln. Man wollte sie ins Meer treiben. An dieser Einstellung hat sich bis heute nicht viel geändert, auch wenn das nicht immer so offen gesagt wird. Das Ziel ist auch heute das Ende Israels.

Der alte Mann bedauert, dass das moderne Israel nicht auf seinen Gott vertraut. Es führt Verhandlungen mit seinen Feinden. Es tauscht „Land gegen Frieden“ ein. Es vertraut auf politische Diplomatie statt auf seinen Gott. Aber alle Zugeständnisse Israels werden von seinen Feinden als Schwäche ausgelegt.

Der alte Mann stellt fest: Deutschland war antisemitisch und ist es auch heute noch. Auch die Kirchen stehen auf der Seite der arabischen Feinde Israels. Antisemitismus artikuliert sich heute als Kritik an Israel.

Ein konkretes Beispiel ist die Berichterstattung in den Medien. Israel wird als Störenfried in der ganzen Region hingestellt. Bei Konflikten soll es fast immer Israel sein, das angreift und den Waffenstillstand bricht. Wenn man den Medien glaubt, gibt es keinen gefährlicheren Staat als Israel. Man spricht ihm letztlich die Existenzberechtigung ab.

Was aktuell in Nizza passierte, war in Israel schon vor Jahren an der Tagesordnung. Mehrfach fuhren schon extremistische Palästinenser mit Autos in Menschenansammlungen an Bushaltestellen. In einigen Fällen stiegen die Attentäter aus, um die hilflos am Boden liegenden Verwundeten mit Axt und Messer zu ermorden. Wenn die israelischen Sicherheitskräfte diese Attentäter erschossen, wurden sie von der Weltöffentlichkeit wegen dieser angeblichen „außergerichtlichen Hinrichtungen“ verurteilt.

Der Polizei in Nizza macht man diese Vorwürfe nicht. Auch sie hat doch den Attentäter am Steuer dieses Lastwagens erschossen statt ihn zu verhaften. Die Medien messen mit zweierlei Maß. Ähnlich subjektiv ist die Berichterstattung über den Nahostkonflikt. Man kritisiert Israel, weil es keine sogenannte „Zweistaatenregelung“ will. Man billigt den „Palästinensern“ einmütig das Recht auf einen eigenen Staat zu. Dabei gab es in der Geschichte des Nahen Ostens noch nie eine „palästinensische Nation“. Das „palästinensische Volk“ ist ein Fantasiegebilde. Sein einziger gemeinsamer Nenner ist die Zerstörung Israels. Das ist blanker Antisemitismus.

Israel hat, wie andere Staaten auch, ein Recht auf den Schutz seines Staates. Es muss deshalb auch unpopuläre Maßnahmen ergreifen. Wohin es führen kann, wenn man versucht, es allen recht zu machen, hat der jüdische Schriftsteller Ephraim Kishon erklärt. Er wagt in seiner Satire „Wie Israel sich die Sympathien der Welt verscherzte“ einen Blick in die Zukunft.

Weil Israel dauernd von der Weltgemeinschaft kritisiert wird, verzichtet es auf alle Verteidigung und allen Einsatz von Waffen. Es reagiert auf die Angriffe der arabischen Länder mit Appellen an die UNO. Der Sicherheitsrat verurteilt zwar die Aggression, aber die arabischen Armeen haben inzwischen alle größeren Städte Israels bombardiert und eingenommen. Der Staat Israel existiert faktisch nicht mehr. Die Weltgemeinschaft lobt das friedfertige Verhalten Israels. Die Vereinten Nationen richten sogar ein Zeltlager für die 82616 überlebenden Israelis ein. Ein Vertreter der UNO äußert in einer Agenturmeldung: „Wir kommen nicht umhin, das Vorgehen unserer arabischen Brüder zu missbilligen“. Die Wogen der Begeisterung für den Staat Israel schlagen höher als während seines Bestehens. Israel war zu einem Symbol des Friedens und der Gerechtigkeit geworden.

Ephraim Kishon schließt seinen Bericht: Leider beging Israel den Fehler, eine solche Wendung der Dinge nicht abzuwarten. Es ist den Ereignissen zuvorgekommen und hat damit eine einzigartige Gelegenheit versäumt, sich die Sympathien der Welt zu sichern. Gott allein weiß, wann man uns diese Gelegenheit wieder bieten wird.

Der alte Mann ergänzt: Gott weiß alle Dinge. Sein Plan für sein Volk Israel liegt bereit. Dieser Plan wird sich bis ins kleinste Detail erfüllen. Antisemitismus hat keine Chance.

„Die Geschichte Israels ist eine Geschichte des Wunders und zugleich ist sie ein Wunder der Geschichte.“

 

Wie wird’s sein, wenn ich zieh in Salem ein,
in die Stadt der goldnen Gassen!
Herr, mein Gott, ich kanns nicht fassen,
was das wird für Wonne sein!

(Gustav Knak).

 

Mit freundlicher Genehmigung
Autor: Rolf Müller