Der alte Mann und das Gefühl

Rolf Müller

Jeder Mensch hat Gefühle. Ein gefühlloser Mensch ist ein Unmensch. Der Schöpfer hat uns mit Gefühlen ausgestattet. Gefühle gehören zum Leben. Man muss sich seiner Gefühle nicht schämen. Trotzdem ist es nicht gut, seinen Gefühlen immer freien Lauf zu lassen.

Den alten Mann bekümmert es, wenn der Glaube an Jesus Christus von Gefühlen bestimmt wird. Glauben und Gefühl dürfen nicht vermischt werden. Es ist töricht, wenn wir unsere Stellung zu Gott von unseren Gefühlen abhängig machen. Es gibt Leute, die sind in den Versammlungen nur dann gesegnet, wenn sie von einem Wort gerührt und zu Tränen gebracht werden. Der Gerechte lebt aus Glauben und nicht aus Gefühlen.

Der alte Mann kennt Menschen, die in ihrem Leben ständig Schwankungen unterliegen. Bald sind sie „himmelhoch jauchzend“ und dann wieder „zu Tode betrübt“. Sie freuen sich über beseligende Gefühle und dann sitzen sie wieder da und trauern. Sie achten ständig auf ihre Gefühle und kommen nicht zur Ruhe.

Der alte Mann weiß, dass oft äußerliche Dinge auf unsere Stimmung drücken können. Wir brauchen aber einen tieferen Blick auf das Evangelium. Wir brauchen einen sicheren Boden unter unseren Füßen. Gefühle gehören der Erde an. Der Glaube schaut auf Gott und den Himmel. Gefühle sind mit sich selbst beschäftigt, der Glaube ist mit Christus beschäftigt. Gefühle lassen uns in Dunkelheit und Zweifel. Der Glaube bringt Frieden.

Dem alten Mann wurde geklagt: „Die Seligkeit der ersten Liebe zu Jesus ist verschwunden. Ich fühle nichts mehr!“ Dem alten Mann ging es am Anfang seines Glaubenslebens ähnlich. Es ist auch nicht nötig, dass wir unsere Seligkeit fühlen. Es steht nirgends geschrieben: Wer es fühlt, sondern wer es glaubt! Wir müssen glauben, daraus wächst unsere Gewissheit. Der Glaube hat es mit göttlichen Tatsachen zu tun. Diese Tatsachen befinden sich außerhalb von uns und haben ihren Ursprung in Gott. Ungeachtet unserer Gefühle gilt Gottes Wort. „Wenn ich auch gar nichts fühle von deiner Macht, du führst mich doch zum Ziele, auch durch die Nacht.“

Gefühle und Empfindungen sind Auswirkungen des Glaubens. Sie dürfen nicht mit dem Glauben selbst verwechselt werden. Wir werden nicht ohne Gefühle sein. Sie haben ihr Recht an ihrem Platz. Aber wir billigen ihnen keinen absoluten Wert zu. Haben wir Gefühle, so ist es gut, haben wir keine, so ist es auch gut.

Dem alten Mann ist bewusst, dass Gefühle keine Gewissheit geben können. Sie lassen uns zu keinem dauerhaften Frieden kommen. Unsere Gefühle können sich jeden Augenblick ändern. Der Grund unseres Friedens ist Jesus Christus. Der Grund unserer Hoffnung ist nicht unser schwankendes Gefühlsleben, sondern die uns von Gott angebotene Gnade. Diese Gnade hält uns fest und überdauert die Stürme des Lebens. Der Geist Gottes nährt unser geistliches, nicht unser seelisches Leben. Und nicht alle Wonnegefühle sind immer vom Geist Gottes. Auch Satan kann uns schöne Gefühle vorgaukeln. Wir sollten nicht in seligen Gefühlen schwelgen, sondern uns aufs Wort Gottes gründen. Wir wollen unserem Herrn vertrauen, auch in den Dunkelheiten des Lebens. „Dennoch bleibe ich stets an dir!“

 

So nimm denn meine Hände
und führe mich
bis an mein selig Ende
und ewiglich.

Ich mag allein nicht gehen,
nicht einen Schritt:
Wo du wirst gehen und stehen,
da nimm mich mit.

In dein Erbarmen hülle
mein schwaches Herz
und mach es gänzlich stille
in Freud und Schmerz.

Lass ruhn zu deinen Füßen
dein armes Kind:
es will die Augen schließen
und glauben blind.

Wenn ich auch gleich nichts fühle
von deiner Macht,
du führst mich doch zum Ziele
auch durch die Nacht.

So nimm denn meine Hände
und führe mich
bis an mein selig Ende
und ewiglich.

(Julie von Hausmann).

 

 

Mit freundlicher Genehmigung
Autor: Rolf Müller