Der alte Mann und Hiob

Rolf Müller

Hiob ist ein Mensch, der unschuldig leiden muss. Er wird von Gott in die Mangel genommen.

Der alte Mann bewundert Hiob. Er kann ihm nicht das Wasser reichen. „Der Herr hat´s gegeben, der Herr hat´s genommen, der Name des Herrn sei gelobt!“ Wer so sprechen kann, nachdem er alles verloren hat, der versündigt sich nicht mit Worten. Der begibt sich vertrauensvoll in Gottes Hand.

Seine Freunde, die ihn besuchen und trösten wollen, finden zunächst keine Worte. Sie sitzen stumm und trauern mit Hiob. Der beginnt von seinem früheren Leben zu reden. Wie schön war das! Wie gut ging es ihm da! Er war angesehen, geachtet und reich. Und jetzt ist alles dahin. Jetzt sitzt er im Elend.

Hiob debattiert mit Gott. Er fragt nach dem Warum. Er fühlt sich im Stich gelassen. Was hat er denn Unrechtes getan, dass er so leiden muss? Hiob zählt seine guten Werke auf. Er ist sich keiner Schuld bewusst. Was hat er nun davon, dass er immer rechtschaffen gehandelt und gelebt hat?

Der alte Mann kennt viele Leute, die tadellos leben und Gutes tun. Mit ihnen muss Gott doch hoch zufrieden sein. Sie haben sich nichts zuschulden kommen lassen. Sie sind vorbildliche Gutmenschen.

Hiob empört sich, als seine Freunde vermuten, er müsse allerhand auf dem Kerbholz haben. Sein Leid könne doch nur eine gerechte Strafe Gottes für seine Schuld sein. Dem widerspricht Hiob aufs Schärfste. Er klagt Gott an. Er ist sich keiner Schuld bewusst.

Der alte Mann nimmt einige Dinge bei Hiob wahr, die sich merkwürdig anhören. Er will dem Hiob nicht zu nahe treten. Er kann ihm keinesfalls das Wasser reichen. Aber aus Hiobs Reden hört man eine Spur Stolz und Selbstgerechtigkeit heraus. Er weist die Vermutungen seiner Freunde zurück. Er versucht sich sogar mit Gott anzulegen. Vor allem hat er keinen Nerv für die „wunderbare Seelsorge“ seiner netten Freunde.

Er sagt den Freunden unverblümt seine Meinung. Er verteidigt sich gegen ihre unqualifizierten Angriffe und Anschuldigungen. Mit seinen Freunden wird er fertig. Da behält er die Oberhand. Aber schließlich muss Hiob erkennen, dass er mit Gott nicht streiten kann. Er weiß nichts mehr zu sagen. Seine Fragen sind verstummt. Er hat dummes Zeug geredet. Er dachte, etwas von Gott zu verstehen. Aber er hat gemerkt, dass er in Wahrheit keinen blassen Schimmer hat. „Ich will meine Hand auf meinen Mund legen und nichts mehr sagen.“

Der alte Mann ist innerlich bewegt, wenn er sieht, wie Gott einem seiner wunderbarsten Männer im Alten Testament begegnet. Hiob war ja nicht irgendein gewöhnlicher Typ. Das ist schon heilig, wenn Gott einen Mann wie Hiob überführen muss von seinem Wesen. Hiob verstummt vor seinem Gott. Können wir angesichts dieser Tatsache noch die große Klappe haben und über andere herziehen? Das sei ferne!

Was Gott tut, das ist wohlgetan,
es bleibt gerecht sein Wille;
wie er fängt meine Sachen an,
will ich ihm halten stille.
Er ist mein Gott,
der in der Not
mich wohl weiß zu erhalten,
drum lass ich ihn nur walten.

Was Gott tut, das ist wohlgetan,
er wird mich nicht betrügen;
er führet mich auf rechter Bahn;
so lass ich mir genügen
an seiner Huld
und hab Geduld,
er wird mein Unglück wenden,
es steht in seinen Händen.

Was Gott tut, das ist wohlgetan,
er ist mein Licht und Leben,
der mir nichts Böses gönnen kann;
ihm will ich mich ergeben
in Freud und Leid,
es kommt die Zeit,
da öffentlich erscheinet
wie treulich er es meinet.

Was Gott tut, das ist wohlgetan,
dabei will ich verbleiben.
Es mag mich auf die raue Bahn
Not, Tod und Elend treiben,
so wird Gott mich
ganz väterlich
in seinen Armen halten;
drum lass ich ihn nur walten.

(Samuel Rodigast).

 

 

Mit freundlicher Genehmigung
Autor: Rolf Müller